SOS-Kinderdörfer in Mexiko
In den späten 60er Jahren besuchte der Direktor einer Mutter-Kind-Klinik in Mexiko ein SOS-Kinderdorf in Österreich. Aufgrund seines Berufs war er mit der Lebenssituation von Kindern in Not gut vertraut. Beeindruckt durch das SOS-Kinderdorf kehrte er mit der Idee nach Mexiko zurück, dasselbe langfristige Betreuungskonzept in seinem Heimatland einzuführen.
Einige Fakten über Mexiko
Durch die Wand (Foto: C. Martinelli)Die Republik Mexiko liegt in Nordamerika und grenzt im Norden an die Vereinigten Staaten von Amerika, im Osten an den Golf von Mexiko und die Karibik, im Süden an Belize und Guatemala sowie im Westen an den Pazifischen Ozean. Im präkolumbischen Mesoamerika wurde das heutige Mexiko von Hochkulturen wie den Maya, den Olmeken und den Azteken bewohnt. Im Jahr 1521 marschierte Hernán Cortés mit seinen spanischen Truppen ein und eroberte die Region um die Aztekenhauptstadt Tenochtitlan.
Nach drei Jahrhunderten spanischer Herrschaft wurde Mexico schließlich im frühen 19. Jahrhundert unabhängig. Als die Vereinigten Staaten von Amerika Texas annektierten, das jahrhundertelang zu Mexiko gehört hatte, brach im Jahr 1846 ein Krieg zwischen den beiden benachbarten Staaten aus. Mexiko verlor den Krieg und ebenso große Teile seines Territoriums an die Vereinigten Staaten. Im Jahr 1910 wurde der langjährige autokratische Herrscher Porfirio Díaz in einem Kampf gestürzt, der als "die Mexikanische Revolution" in die Geschichte einging.
Im Jahr 1994 wurde das umstrittene Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) zwischen Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten unterzeichnet. Mit 85 Prozent aller mexikanischen Exporte sind die USA mittlerweile der größte Handelspartner Mexikos. Das heutige Mexiko ist ein Land extremer Gegensätze, in dem Armut und Wohlstand, Wolkenkratzer und Ruinen der Maya, grüne Regenwälder und sengende Wüstenlandschaften direkt aufeinandertreffen.
Geldsendungen an die zuhause verbliebenen Familien ("Remesas") von Mexikanern, die in den Vereinigten Staaten leben, stellen einen beträchtlichen Anteil des mexikanischen BIP dar. Die Hauptstadt Mexiko-City ist eine der größten und am dichtesten bevölkerten Städte der Welt. Derzeit leben ca. 20 Millionen Menschen in Mexiko-City. Die Gesamtbevölkerung Mexikos beläuft sich auf knapp 115 Millionen, von denen 80 Prozent in den Stadtzentren des Landes leben.
Gewalt auf dem Vormarsch
Aufgrund der zunehmenden Gewalt von Drogenkartellen hat sich die Sicherheitslage in Mexiko in den letzten Jahren verschlechtert. Das Ausmaß an Gewalt ist in der nördlichen Grenzregion besonders hoch, die der mexikanischen Mafia als strategischer Umschlagplatz für Drogen- und Menschenhandel dient. In Ciudad Juárez wurden im Jahr 2010 mehr als 3000 Menschen ermordet. Die Stadt ist das Epizentrum des mexikanischen Drogenkrieges und zählt daher zu den gefährlichsten Städten der Welt. Jedes Jahr werden Tausende von Migranten aus Lateinamerika ohne gültige Papiere auf ihrem Weg in die USA von mexikanischen Drogenbanden gekidnappt und für Lösegeldforderungen festgehalten. Die meisten von ihnen sind Mittelamerikaner, die ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben im Norden verlassen.
Mexiko steht derzeit auf Rang 56 des Human Development Index (HDI). Das Land steht somit auf gleicher Stufe mit Ländern wie Malaysia und Bulgarien. Obwohl Mexikos Wirtschaft zu den größten der Welt zählt, lebt ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Armut. In Mexiko ist die Kluft zwischen arm und reich sehr tief. Tausende von Menschen leben in Baracken und haben keinen Zugang zur Grundversorgung.
Regionale Unterschiede im Wohlstandsniveau und große Ungleichheiten bei der Einkommensverteilung sind nach wie vor sehr deutlich ausgeprägt - während die menschlichen Entwicklungszahlen für nördliche Staaten wie Nuevo León mit denen europäischer Länder vergleichbar sind, leiden südliche Staaten wie Oaxaca und Chiapas unter extremer Armut.
Die Analphabetenquote in Mexiko beträgt ca. sechs Prozent. In Chiapas sind jedoch ca. 15 Prozent der Menschen Analphabeten. Diese Zahlen sind in der indigenen Bevölkerung sogar noch höher - von 10 indigenen Frauen können 5 weder lesen noch schreiben. Sowohl die Kindersterblichkeitsrate unter fünf Jahren als auch die Lebenserwartung fallen in der indigenen Bevölkerung Mexikos bedeutend schlechter aus.
Die Lage der Kinder in Mexiko
Geschwister (Foto: S. Streeck)
Mit 98 Prozent ist die Einschulungsquote in Mexiko relativ hoch. Dennoch ist der Schulbesuch nicht für alle mexikanischen Kinder eine Selbstverständlichkeit. Tausende von Kindern im schulpflichtigen Alter aus armen Familien besuchen keine Schule. Zu den am meisten betroffenen Gruppen zählen Kinder von landwirtschaftlichen Wanderarbeitern und Kinder aus indigenen Familien. In den ländlichen Regionen ist die schulische Infrastruktur häufig in einem desolaten Zustand, und der Unterricht findet unter prekären Bedingungen statt.
Die UN hat beklagt, dass es in Mexiko weder verlässliche Daten über Kinder, die ohne elterliche Fürsorge aufwachsen, noch über die Lebenssituation der Kinder im Allgemeinen gibt. Die Zahl der Waisenkinder in Mexiko wird auf ungefähr 1 600 000 geschätzt. Ca. eine Million junger Mexikaner wachsen Berichten zufolge ohne elterliche Fürsorge auf. Zu den Hauptursachen für den Verlust der elterlichen Fürsorge zählen Müttersterblichkeit, Mord an Frauen, AIDS und die anhaltende Gewalt durch Mexikos Drogenkartelle. Soziale Ausgrenzung, Teenager-Schwangerschaften und Migration können ebenfalls zum Verlust der elterlichen Fürsorge führen.
Das Leben als Waisenkind ist in Mexiko extrem hart; viele von ihnen leiden unter sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung und Armut. In den städtischen Gebieten enden diese Kinder oft auf der Straße, wo sie für eine Rekrutierung durch Straßengangs extrem anfällig sind. Auch die häusliche Gewalt stellt in Mexiko ein anhaltendes Problem dar; jedes dritte Kind wird zuhause körperlich misshandelt, eingeschüchtert oder sexuell missbraucht. Die körperliche Bestrafung durch andere Familienmitglieder hat dramatische Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes. Im Durchschnitt wurden in den letzten 25 Jahren pro Tag zwei 14-jährige Kinder in Mexiko ermordet.
SOS-Kinderdorf in Mexiko
SOS-Kinderdorf begann seine Tätigkeit in Mexiko im Jahr 1971. Seither ist die Organisation stetig gewachsen. Im Jahr 1994 rief SOS-Kinderdorf nach der gewaltsamen Unterdrückung indigener Guerillakämpfer im Bundesstaat Chiapas ein Nothilfeprogramm in Comitán in Form eines Sozialzentrums, eines Nahrungsmittelprogramms und eines medizinischen Nothilfeprogramms für Flüchtlinge ins Leben. Nachdem die Flüchtlinge in ihre Heimatdörfer zurückkehren konnten, wurde das Nothilfeprogramm zum Ende des Jahres 1997 eingestellt. Derzeit unterstützt SOS-Kinderdorf mexikanische Kinder und Jugendliche durch Kindertagesstätten, Schulen und Berufsbildungszentren im Rahmen von acht verschiedenen Programmen. Unsere Organisation bietet in Mexiko auch Programme zur Familienstärkung an, die es vom Verlust der elterlichen Fürsorge bedrohten Kindern ermöglichen, in einer liebevollen familiären Umgebung aufzuwachsen. Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder nicht länger bei ihren Familien bleiben können, finden liebevolle Aufnahme in einer familiennahen Umgebung, der SOS-Kinderdorf-Familie.
Website von SOS-Kinderdorf Mexiko
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